So, etwas mehr als eine Woche ist jetzt vergangen nach meinem ersten Zieleinlauf bei einem Ironman. Noch dazu einer der schwierigsten, wie behauptet wird. Viele lange Steigungen, starke Sonne und teils enorme Winde kennzeichnen den Ironman Lanzarote. Und trotzdem fiel meine „Wahl“ genau auf diesen Wettkampf.
Allerdings muss ich gestehen, weniger weil ich das alles vorher wusste, und ich mich der Herausforderung stellen wollte. Vielmehr deshalb, weil ich mir darüber im Vorfeld überhaupt keine Gedanken gemacht habe 😮 Die einzigen Kriterien die ich bedacht habe waren Termin, Sonne, Erreichbarkeit und die Möglichkeit eines Urlaubes der bezahlbar ist. Südafrika, Nizza und Lanzarote standen zur Auswahl. Südafrika zu teuer, Nizza zu schnell ausgebucht und Lanzarote hat alles andere vereint.
Also kurze Absprache zwischen Weib und dem Ollen und es wurde die gemeinsame Unterkunft gebucht und dem nächsten Erlebnis stand nur noch die Anstrengung im Wege 🙂
Anreise am Dienstagabend, Wettkampf am Samstag. Es blieben also drei Tage zum „akklimatisieren“. D.h. der Kopf muss nochmal abschalten und frei werden. Der Körper muss richtig ernährt werden und in Abrufbereitschaft bleiben. Die inseltypischen Bedingungen müssen zumindest mal gespürt und Teile der Radstrecke besichtigt werden. Ich hatte ja sowas von keine Vorstellungen wie es hier sein wird 😀
Meine bewährte Vorplanung für solche Veranstaltungen, kam mir natürlich wieder sehr zu Gute. So fällt das Abschalten leichter, wenn man nicht viel Nachdenken muss. Die Zeit mit dem Weib ist dafür einfach unheimlich hilfreich. Also nur das Nötigste an Zeit und Gedanken in den bevorstehen Wettkampf investieren und gemeinsam die Insel erkunden während man auf dem Weg zum Athleten Briefing ist. Oder die Open Water Einheit am schönsten Strand der Insel absolvieren. Dabei in die nächste Bucht schwimmen und mit Neoprenanzug auf einem FKK Strand den Landgang üben und wieder ins Wasser reinspringen als wäre man von dem Anblick geschockt. Um die Blicke aufzufangen hätte ich gerne meine Kamera dabei gehabt 😀
Die erste Radeinheit darf aber natürlich auch nicht fehlen. Und nach diesen 37 km, bei der ich eigentlich noch ein paar Intervalle fahren wollte habe ich mich noch mehr dazu entschlossen, das Rennen gemütlich anzugehen und vor allem gesund durch zu kommen. Was sich anhört wie eine geplante Sonntagmittag-Radausfahrt mit der Familie war das Resultat aus Wind, Sand und Luftnot.
In Deutschland würdet ihr im Radio Aussagen hören wie: „Es wird empfohlen nur in dringendsten Fällen die Gebäude zu verlassen und den Aufenthalt im Freien aufgrund von stärksten Windböen auf ein Minimum zu beschränken.“ Auf Lanzarote jedoch sitzt der Olle auf seinem Triathlon Rad mit 45 ° seitlicher Neigung und stemmt sich irgendwie durch die sandige Lavawüste gegen den Seitenwind. Dass der Lack am Fahrrad nach dem Sandstrahlpeeling farblich noch zu erkennen ist zeugt wohl von einer ordentlichen Materialverarbeitung. Das Atmen auf dem sandigen Teilstück war nur zu einer Seite möglich, ansonsten hätte ich mir die professionelle Zahnreinigung das nächste Mal auch sparen können. Dem Seitenwind zum Trotz musste ich auf dem 37 km aber auch noch 800 Meter berghoch. Da kam mir der Gegenwind ja gerade entgegen, denn umso mehr Zeit hatte ich, um die Gegend zu genießen. Außerdem kommt Einem die Steigung gar nicht so viel vor, wenn der Wind mit angegebenen 45 km/h von vorne drückt und man diesmal droht aufgrund von zu geringer Geschwindigkeit umzukippen und man überlegt doch lieber die Schuhe aus den Pedalen zu clippen.
Bergab musste ich natürlich auch noch. Bei Rückenwind konnte man dann problemlos auf der Schnellstraße mit dem Verkehr rollen. Treten brauchte man bei über 80 km/h dann auch zeitweise nicht. Nunja, aber besonders der Seitenwind und die starken Böen bei den Geschwindigkeiten bergab, haben mich dann auf den Gedanken gebracht das Rennen gesund und unfallfrei zu überstehen.
Alles andere ist nur eine Frage des Kopfes 🙂
Die Nahrungsaufnahme vor dem Wettkampf und damit die unmittelbare Vorbereitung meines Körpers auf die bevorstehende Belastung fällt mir persönlich ja glücklicherweise auch sehr einfach.
Hier lasse ich vor einem langen Wettkampf auch am wenigsten Spielraum. So muss ich mir wenigstens keine Gedanken über so unnütze Dinge wie Verdauungsprobleme, Unverträglichkeiten, Mann mit dem Hammer oder Aussagen wie „Ich krieg nix mehr runter“ machen. Sowas nervt nur und hilft ja auch keinem weiter 🙂
Gut vorbereitet und nach dem Athleten Briefing über alles aufgeklärt ging es also zum Rad Check In. Ich habe die 38 km nochmal dazu genutzt, die letzten Meter der Radstrecke abzufahren. Diesmal sogar mit etwas weniger Wind. Das Weib hat den Bus genommen, meine restlichen Sachen mitgeschleppt und wir trafen und bei besten Bedingungen in Puerto del Carmen am Strand und genossen erstmal noch abseits des ganzen Trubels Eis und Bier.
Die vorerst letzte Konzentrationsphase vor dem Rennen folgte beim Abstellen des Rades sowie dem abgeben der Beutel und dem Visualisieren der morgigen Abläufe. Danach konnte der Kopf wieder runtergefahren werden und der Olle verbrachte den Abend mit dem Weib. Immerhin stand auch vor ihr ein langer Tag, wenn auch körperlich nicht ganz so anstrengend.
04 h Frühstück heißt früh aufstehen. Keine Experimente, alles wie gehabt. Getränke fertig machen, an Verpflegung denken und dann entspannt ins Auto und auf dem Weg machen. Die Vorbereitungen sind gelaufen. Jetzt heißt es Ruhe ausstrahlen, besinnnen und fokussieren. Das erste Mal an die Startlinie für den vermutlich längsten Tag im Jahr. Einschwimmen um 06:30 h. Ein letzter Kuss und dann in den Startbereich. Wann sieht der Olle das Weib wieder? Es kann lange dauern. Womöglich bis zum Laufen. Das wären mindestens 7 – 8 h. Wer weiß wie ich mich bis dahin fühle. Wie ich durchkomme? Es treten Fragen auf.
Ich bemerke die Anzeichen, lenke den Fokus. Rad fahren? Laufen? Egal, ich muss erstmal schwimmen. Nur darauf kommt es an. Gleichmäßig durchkommen, Übersicht behalten. Über 1700 Starter an der Linie. Ich vermute ich komme mit dem Großteil raus. D.h. ich muss mich einsortieren. Mit Tritte und Schläge rechnen. Mit Wasserschlucken und Brille verlieren. Alles möglich… Wir zählen die letzten Sekunden runter und es geht los.
Ich halte den Kopf über Wasser. Ich warte auf die ersten Meter die ich mal gleiten kann. Aber geschätzte 400 Meter habe ich keinen Zug mit Kopf im Wasser machen können. Zu eng. Zu viele Arme und Beine. Das muss doch irgendwann anstrengend werden denke ich. Versuche eine Position zu finden. Sehe keine Bojen, keine Anhaltspunkte. Nur Menschen im Wasser. Ich folge erstmal bis ich die erste Boje erreiche. 700 Meter sind in etwa geschafft, jetzt wenden und dann zurück um auf die zweite Runde zu starten. Es geht besser. Ich kann gleiten. Ich kann unter Wasser sehen. Ich kann regelmäßig atmen und finde meine eigene Linie mit Blick auf die letzte Boje. Es folgt der Landgang mit Blick auf die Uhr. 00:31:15 ??? Ich bin schnell wie ich finde. Überrascht, dabei habe ich mich bei 75 Minuten eingeschätzt wenn ich es ruhig angehen lasse. D.h. ich kann die zweite Runde 40 Minuten brauchen und bin schneller als erwartet. Aber ich habe mich doch bei der ersten Runde schon zurück gehalten? Ich bin verwundert aber fühle mich super…
Die zweite Runde lief richtig gut. Ich hatte Platz. Mehr Sicht und einen guten Rhythmus. Fast erholsam. Ich habe überholt und auf Gruppen aufgeschlossen. Ich komme sehr zufrieden aus dem Wasser. Mit einer Zeit unter 65 Minuten habe ich nicht gerechnet 🙂
Es folgt der Wechsel aufs Rad, die erste Panne lässt nicht lange warten. Beim Sprung aufs Rad bricht mein doppelter Flaschenhalter incl. Werkzeug ab. Ich muss improvisieren. Stecke mir das Werkzeug ins Trikot und fahre los. Eine Flasche habe ich ja noch.
Die ersten Meter auf dem Rad. 10 km …. 20 km … Puh, irgendwann steht da mal 170. Bisher unvorstellbar. Das wird eine lange Zeit. Die ersten Anstiege kommen. Der Wind setzt ein. Ich werde immer wieder von guten Radfahrern überholt, das ist kein Wunder. Schließlich will ich nicht überpacen und ich schätze mich auch nicht als schnellen Radfahrer in diesem Feld ein. Ich lasse es weiter ruhig angehen, ich will noch mit Freude laufen können. Und zum Ende will ich noch Kraft auf dem Rad haben. Die Steigungen und der Wind sollen nicht zur Qual werden. Stattdessen möchte ich mit die Gegend genießen. Die Ausblicke. Die Insel…
Nichtsdestotrotz habe ich mit vielen Dingen kämpfen müssen. Zum Einen habe ich lange überlegt wo ich pinkeln kann um wenig Zeit zu verlieren. Bis ich mir gesagt habe, dass die eine Minute keine Rolle spielt, also los jetzt 😀 Dann wollte ich gern meine Beine eincremen. Das haben die freundlichen Helfer zuvor in der Wechselzone leider vergessen. Denn zum gesunden Durchkommen gehört auch, dass ich ohne starken Sonnenbrand nach Hause komme. Glückicherweise war es auf dem Rad zeitweise sehr bewölkt und ich habe mir vorgenommen beim nächsten Wechsel die Zeit zu investieren. Rückenschmerzen plagten mich auf den Weg in die kalten Berge. Ich habe schlimmeres vermutet, aber mit der waremen Sonne wurde es wieder besser.
Nebenbei hat sich dann auch mal meine Flaschenkombination am Lenker durch ein kurzes Stück schlechter Wegbeschaffenheit verabschiedet. Als ich sie wieder eingesammelt habe, konnte ich einen Mitstreiter beobachten der bei über 40 km/h gestürzt ist. Da ich leider nur sehr eingeschränkte medizinische Möglichkeiten hatte habe ich ihn in den Händen freundlicher Zuschauer überlassen und konnte mein Rennen fortsetzen. Für ihn war es an dieser Stelle leider beendet, wie mir der vorbeifahrende Rettungstransport und sein Fahrrad auf einem PKW später bestätigte. Ein Grund mehr, das Rennen weiterhin mit etwas Vorsicht zu begegnen.
Bei der nächsten Verpflegungsstation, mittlerweile mehr als die Hälfte vorbei, hat sich das Aufsammeln meiner Trinkkombination auch als Unnütz herausgestellt, da sie ein Loch hatte. Somit blieb mir nur noch ein Flaschenhalter der mit meinem eigenen Getränk gefüllt war und noch 80 km halten musste. Also vermehrt Wasser trinken, um Experimente mit Power Bar oder Red Bull zu vermeiden.
Es folgten langsam die letzten Anstiege und ich hatte immer noch Reserven. Nun war ich derjenige, der „einsammeln“ konnte. Die richtig guten Radfahrer waren schon weg. Die langsamen waren hinten und die, die sich überschätzt haben, an denen fuhr ich nun vorbei. Ein schönes Gefühl, und das obwohl ich gefühlsmäßig und nach Puls immer noch „rolle“.
Die Abfahrten habe ich dann besonders genossen. Denn auch hier konnte ich meine Stärke in diesem Bereich des Feldes ausspielen. Ich konnte meine Konzentration immer noch gut aufrechterhalten, so waren die schnellen Kurven ein Genuss. Außerdem, ging es endlich wieder runter in die Sonne 🙂 Und , da ich die letzten 30 km am Tage vorher schon abgefahren bin wusste ich genau was mich erwartet. Der Gegenwind, das schlechte Stück Straße, die Enge und tolle Abfahrt. Das Wissen es gleich geschafft zu haben. Ich war glücklich 🙂
Das Rad abgegeben, war der schönste Moment das am Zaun stehende Weib gewesen, welches den Ollen erblicken wollte. Sie wusste wo mein Beutel hängt und hat auf mich gewartet. Toll :-* Die Zeit musste sein und das Wissen sie später auf der Laufstrecke noch häufiger zu sehen machte die Freude aufs Laufen noch größer. Wie geplant aber erstmal pinkeln, ordentlich eincremen lassen und Ruhe beim Wechsel. Die Zeit soll mir noch zu Gute kommen 🙂
Das Laufen war wie gewünscht ein Genuss. Ich bin extra Verhalten angegangen. Schließlich musste ich niemandem etwas beweisen. Ich wollte nicht siegen. Lediglich erhobenen Hauptes die 42 km zu Ende bringen. Ohne Schmerzen. Ohne Zwang. Mit einer guten Körperhaltung 🙂
Allerdings bekam ich nach den ersten 10 km leichte Knieschmerzen. Blieben zwei Möglichkeiten. Langsamer werden oder schneller werden. Ich nahm die anatomisch sinnvollere Variante. Denn die Gewichtsverlagerung auf den Vorfuß entlastet das Knie. Es resultiert eine schnellere Laufleistung. Aber Energie hatte ich genug. Reserven auch. Ich musste mich nur auf die Körperhaltung konzentrieren. So bin ich die zweite Hälfte gut 10 Minuten schneller gelaufen. Und es fühlte sich besser an. Zum einen körperlich, da die Schmerzen tatsächlich verschwanden und zum anderen mental. Da alle anderen langsamer geworden sind. Mich hat beim Laufen „die letzten 30 km“ niemand mehr überholt. Das war wieder ein tolles Gefühl. Es beflügelt.
Allerdings hatte auch ich irgendwann keine Lust mehr 😀 Der Olle wollte das Weib in den Arm nehmen, dass beim Laufen wieder so gut unterstützt hat. Also auf zum Ziel 🙂
Ab hier fehlen mir so ein bisschen die Worte zu dem was ich gefühlt habe. Es war anders als im letzten Jahr in der Schweiz. Aber es war toll. Der Tag war vorbei. Ich war unheimlich zufrieden. Wir fuhren ins Hotel. Duschen und Abendessen. Wein und Bier. Irgendwie alles wie immer.
Der Urlaub beginnt 🙂